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    Kurzgeschichten: Autor Kurt Meran von Meranien

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Kurzgeschichten 8

Im Mittelmeer
 
Beamte
Am Dienstagabend fand ich mich in der Goethestraße am Bus nach Nizza ein. Ich hatte eine Kreuzfahrt ins Mittelmeer gebucht. Die nächtliche Fahrt war furchtbar. Alle anderen Mitreisenden schliefen. Ich nicht. Meine langen Beine passten nicht unter den Sitz vor mir. Völlig übermüdet kam ich an. Da bis zum Einchecken noch viel Zeit blieb, sah ich mir die Stadt an. Pech hatte ich in einer Gaststätte. Es gab nur eine Toilette, und die war immer besetzt. Ich eilte zum Hafen zurück. Dort gab es einen Prachtbau von öffentlicher Toilette. Hell. Alles sauber. Boden und Wände gekachelt.
Am späten Nachmittag betrat ich das erste Mal das Schiff. Und stürzte gleich in ein Abenteuer.
Ich hatte mich umgezogen. Angetan mit einem schwarzen Pullover und verwaschenen blauen Jeans, stand ich in der Nähe der Gangway, und sah mir die Nachzügler an. Zwei Damen blafften: „Stehen sie nicht so herum, bringen sie unsere Koffer in die Kabine.“ Sie hielten mich wohl für einen Matrosen. Die Stewardess sah mich etwas ratlos an. Ich grinste und sagte: „Das geht schon klar.“ Und zu den Damen: „Die Gänge sind sehr schmal, ich kann deshalb immer nur einen Koffer tragen. Der andere kann hier stehen bleiben. Wenn sie mir bitte folgen wollen?“ Da ich mir das Schiff schon oberflächlich angesehen hatte, wusste ich in etwa, wo die Damen wohnten. Als ich mit dem übrigen Gepäck auf das „Herein“, die Kabine betrat, erlebte ich eine Überraschung. Eine der Damen stand in einem kurzen Hemdchen am Schrank. Die andere duschte. Ich stellte das Gepäck ab und hielt meine Hand auf. Mit leichtem Stirnrunzeln suchte die Hemddame in ihrer Geldtasche herum. Die andere kam nackt aus der Dusche, sagte: „Das mache ich“, und gab mir einen Euro. Zurück bei der Stewardess an der Gangway zeigte ich ihr stolz das Geld. Es war das erste Mal in meinem Leben, das ich Trinkgeld, und gleich so viel, erhalten hatte!

Am Abend zum Dinner, lernte ich meine Tischgenossen kennen. Ich war der Erste am Tisch. Die Plätze waren mit Namenschildern markiert. Ich gruppierte sie so, dass ich mit dem Rücken zur Wand saß. Nach einer Weile kamen die anderen Herrschaften. Ein Mann, so an die fünfzig. Drei Damen. Ich war höflich aufgestanden, und setzte mich erst, als alle anderen platzgenommen hatten. Dann begann das Vorstellten. Der Mann begann: „Mein Name ist Herr Oberstudienrat Möller. Da ich der älteste am Tisch bin, bin ich der Tischpräsident und bestimme, was am Abend und tagsüber unternommen wird. Meine Gattin Frau Oberstudienrätin Möller. Mir gegenüber meine Tochter Carmen, Inspektor der Bundesbahn. Neben ihr meine Tochter Gisela, Oberpostsekretär.“ Dann sah er mich fragend an. Ich stand auf, verbeugte mich und sagte: „Mein Name ist Meran. Vorne nichts und hinten nichts. Einfach Meran.“ Die Herrschaften verzogen ihre Gesichter. Ich wusste warum. Es musste für sie furchtbar sein. Zusammen an einem Tisch mit einem Nichtbeamten! Als ich mich gesetzt hatte, eröffnete ich das Tischgespräch mit der Frage: „Herr Möller, sie und ihre Gattin sind Lehrer?“ Herr Möller sagte grollend: „Ich bin kein Lehrer. Ich bin Oberstudienrat und möchte auch so angesprochen werden. Meine Gattin wird mit Frau Oberstudienrätin angesprochen. Im Übrigen steht es ihnen nicht zu, das Gespräch zu eröffnen. Das ist Privileg des Tischpräsidenten!“
Das waren ja herrliche Aussichten. Vierzehn Tage mit einer übergeschnappten Beamtenfamilie. Dass ich außerdem augenscheinlich älter als der Herr Oberstudienrat war, musste dem vollkommen entgangen sein. Nach dem Dinner durchstreifte ich das ganze Schiff und blieb in einer Disco hängen.
Die nächsten Ziele waren Sardinien, Korsika, Elba, Piombino, Pisa und Florenz. Ich kannte fast alles und blieb meist auf dem Schiff oder im Hafen. In Florenz nah beim Parkplatz. Pisa war eine Enttäuschung. Alles rennt zum schiefen Turm. Der Turm und die Kathedrale stehen vollkommen sinnlos in der Gegend herum. Nicht sinnlos sind die vielen Andenkenbuden. Hier werden die Touristen richtig abgezockt. Für die Besichtigung des schiefen Turms war nur eine Stunde eingeplant, für Florenz ganze zwei Stunden. Den Turm sah ich mir an. Florenz nicht. Was soll man in dieser kurzen Zeit schon sehen?
Am folgenden Abend stellte mich der Herr Oberstudienrat zur Rede. Er stellte fest, dass ich mich ohne seine Erlaubnis von der Tischgesellschaft getrennt hatte. „Sie sind einfach aufgestanden und gegangen. Haben sich den ganzen Abend nicht bei uns eingefunden. Was ist das für ein Benehmen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden, was ich tue. Ich glaube nicht, dass sie älter sind als ich. Auch wenn sie es wären, hätten sie mir nichts zu sagen!“ Er schluckte. Seine Gattin fragte: „Wie alt sind sie denn junger Mann?“ Ich grinste und fragte dann: „Was würden sie denn schätzen gnädige Frau Oberstudienrat? Alle anderen dürfen auch schätzen.“ Sie sahen sich an. Tuschelten. Der Herr Oberstudienrat meinte dann, älter als ich sind sie bestimmt nicht. Ich bin fünfundfünfzig Jahre alt. Unverschämt grinsend sagte ich: „Ich nehme doch an, dass sie rechnen können, oder? Ich bin Jahrgang vierzig.“ Sie schwiegen. Also fuhr ich fort: „Aber keine Bange, ich will kein Tischpräsident sein. Das ist für mich Unsinn. Falls sie in ihrer Familie etwas zu sagen haben, können sie von mir aus Familienpräsident sein.“ Der Mann lief rot an, während die Töchter glucksten. Und um das Kraut fett zu machen, erzählte ich lächelnd: „Ich habe heute Morgen mit einem alten Freund von mir telefoniert. Ich fragte, ob man Oberstudienrat werden kann, ohne jemals Lehrer gewesen zu sein. Er wollte wissen, wer das gesagt hätte. In dem Moment hatte ich ihren werten Namen vergessen und konnte mich trotz aller Anstrengungen nicht auf ihn besinnen. Der Herr Kultusminister sagte mir darauf aus dem Stehgreif alle Beamtenränge auf, die ein Lehramtsinhaber durchlaufen muss, um Oberstudiendirektor zu werden.“ Das Dinner verlief ruhig. Es wurde kaum gesprochen, vor allem nicht mit mir.

Am Tag nach Pisa wieder auf dem Schiff, kam ein Tag mit „Erholung auf dem Meer“. Ich wollte auf das Sonnendeck. Es waren nicht viele Leute dort, und ich hatte schon einen freien Liegestuhl ins Auge gefasst. Als ich es betrat, rief eine Dame im Bikini aufgeregt nach dem Personal, sprach mit einem der hinzueilenden Stewards. Dieser kam zu mir und verbot mir das Betreten des Decks. Ich war erstaunt. Er ließ nicht mit sich reden. Also ging ich zu einem Seitendeck. Am Nachmittag trank ich in einem der Restaurants, wie schon die Tage zuvor, meinen Tee. Einer der Stewards forderte mich auf, das Lokal sofort zu verlassen. Nun hatte ich genug. Ich verlangte die Chefstewardess. Da diese für mich keine Zeit hatte, suchte ich den Kapitän auf. Dieser wollte mich nicht empfangen. Ich sagte im Türrahmen stehend: „Da wird sich am nächsten Herrenabend Klaus wundern, wenn ich von dieser Schiffsreise erzähle. Freuen wird er sich aber nicht.“ Mit der Hand wedelnd meinte der Kapitän: „Was geht mich ihr Klaus an?“ Ich grinste und sagte: „Ich glaube schon, dass er ihnen etwas angeht. Ihr Reeder heißt doch Klaus W. oder?“ Ich durfte nun in einem Ledersessel sitzen, bekam ein Glas Whisky und eine Zigarre. Die Sachlage klärte sich schnell. Die Damen, denen ich die Koffer getragen hatte, hatten sich darüber beschwert, dass ein Crewmitglied sich auf den, den Passagieren vorbehaltenen Plätzen bewegte. Ich erzählte dem Kapitän und den anderen, inzwischen dazu befohlenen Offizieren, meine Erlebnisse des ersten Tages. Dabei beschrieb ich eingehend die Anatomie der beiden Damen. Die Offiziere entschuldigten sich und baten mich, ihrem Reeder nichts zu erzählen.
Zum Dinner fragte mich die Frau Oberpostsekretärin, wann ich morgens aufstehen würde. Sie hätte mich gegen halb Zehn, halb angezogen auf dem Seitendeck gesehen. Ob ich mich nicht schämen würde, so herum zu laufen. Ich stellte eine Gegenfrage: „Schämen sie sich, wenn sie oben ohne auf dem Vorderdeck an der Reling stehen?“ Ihre Eltern sahen sie erstaunt an. Sie schwieg. Als ich die Frage der Postlerin nun beantworten wollte, hörte ich neben mir sagen: „Hat der Herr Baron noch einen Wunsch?“ Wie auf Kommando drehten wir uns alle um. Neben mir stand eine junge Stewardess. Sie wiederholte, mich ansehend unbefangen: „Herr Baron, haben sie noch einen Wunsch?“ Ich sagte kopfschüttelnd: „Wie kommen sie auf Baron? Ich bin keiner. Bringen sie mir bitte einen Schoppen roten Hauswein.“ Mir fiel plötzlich ein, wieso die Frau mich mit Baron ansprach. Ich hatte am Morgen meine Postmappe durchgesehen. In ihr war ein Schreiben, dass ich von einer Bank erhalten hatte. Die Witzbolde hatten das Schreiben mit den Worten „Sehr geehrter Herr Freiherr…begonnen. Beim Aufräumen musste die Kabinenstewardess herumgeschnüffelt haben. Sie hatte ihre Erkenntnisse bestimmt gleich breitgetreten. Ein Freiherr wird ja bekanntlich mit Baron angesprochen. Das hatten die Bankleute wohl nicht gewusst. Und für die Crew war jetzt klar, woher ich ihren Reeder kannte. Dabei hatte ich den Namen des Reeders irgendwo gelesen. Und der Ärger nahm kein Ende. Ich hatte in den ersten Tagen abends vergeblich nach einer Tanzpartnerin gefahndet. Keine Frau wollte mit mir tanzen. Bei Studienrats verstand ich das. Aber bei den anderen Damen nicht.
Die Crew und Studienrats verbreiteten meinen angeblichen Titel. Nun wunderten sich alle Damen, dass ich, auch bei Damenwahl nicht tanzen wollte. Und es kam noch schlimmer. Die Frau Inspektor hatte mich an einem der vorherigen Tage angezählt, weil ich in der Tanzbar einen Barhocker blockiert hatte. Sie sagte ganz offen, zu den anderen Gästen gewendet: „Sitzt der alte Knochen auf dem Hocker, und ich muss stehen bleiben. Was will der Grufti überhaupt hier?“ Ich hatte nichts gesagt. Der Barmann hatte schon. Herr Möller fragte mich später: „Sagen sie Herr Baron, was und wer sind sie wirklich?“ Ich schwieg. Er fuhr fort: „Vorhin war ein Passagier an unserem Tisch, der behauptete sie wären Rat.“ Nickend sagte ich: „Ich bin tatsächlich während meiner Arbeit als Eisenbahner Bahnhofsvorsteher im Rang eines Rates gewesen.“ Am Abend war ich beim Dinner der Hahn im Korb. Oberstudienrates brachten sich fast um. Begreifen konnten sie allerdings nicht, dass ich meinen Rang nicht erwähnt hatte. „Wissen sie, Familie Oberstudienrat, meine Vorgesetzten und meine Mitarbeiter wussten, dass ich Rat war. Das genügt doch. Bei uns auf der Dienststelle war es nicht Usus, uns mit dem Dienstrang anzureden.“ Ich wusste auch, dass oft gesagt wurde: „Der Alte muss doch eine feuchte Wohnung haben, da er immer hier herumkriecht.“ Ich wusch nun der Inspektorin den Kopf. Hatte sie doch während einer Unterhaltung behauptet, meine Kenntnisse bezüglich der Bahn seien laienhaft, und meine Ansichten antiquiert. Um die Fronten zu klären, führte ich weiter aus: „Mein Vater war Verlagsdirektor. Meine verstorbene Schwester Dozentin. Die andere Schwester Postinspektor.“ Und direkt zum Herrn Oberstudienrat: „Die Frau Inspektor hat mich an der Bar einen alten Knochen tituliert. Sie haben mich am Anfang wie einen kleinen Jungen behandelt. Ist dies Beamtenmanier? Ich schreibe übrigens seit fast zehn Jahren Kurzgeschichten. Und kann mir die Überschrift meiner nächsten Geschichte schon vorstellen – Beamte im Mittelmeer!“

Das Schiff
Unser Schiff, die „Stern des Südens“, mit der ich durchs Mittelmeer surfte, war einhundert siebzig Meter lang und zwanzig Meter breit. Hatte neun Decks. Davon waren die vier unteren Decks noch einmal unterteilt und hatten eigene Namen. So hieß das unterste Deck am Bug Somalia und am Heck Arabien. Die fünf oberen Decks trugen über die ganze Länge des Schiffs den gleichen Namen. Es gab Innen- und Außenkabinen. Es gab weiterhin zwei Pools, eine Bank, eine Krankenstation, ein Kino, ein Theater, mehrere Restaurants, Nachtclubs und Bars, eine Boutique, eine Disco, ein Casino, eine Bücherei, einen Schönheitssalon mit gepfefferten Preisen, einen Fotoshop.

Ich hatte auf der Backbordseite im fünften Deck (Bahamas) im hinteren Teil des Schiffes eine Zweipersonenaußenkabine mit Dusche und Toilette für mich allein. Das Fenster ging nicht zu öffnen, die eingebaute Lüftung röchelte Tag und Nacht vor sich hin. Die Rufanlage für den Kabinen-Stuart funktionierte auch nicht. Frühstück gab es ab sieben Uhr im Restaurant Messalina. Mittagessen ab elfuhrdreißig  und Abendessen ab Zwanziguhr im Restaurant Renaissance. Um Zweiundzwanziguhr gab es eine Varieté Show in der Serail Lounge. Jeden Tag das gleiche Programm. Falls man nicht an einem Tagesausflug teilnahm, begann der Tag mit Morgensport auf dem Sonnendeck. Tagsüber konnte man sich im Pfeilwerfen beim Darts üben. Filme ansehen oder an anderen Tagesveranstaltungen teilnehmen. Die Leute des Fotoshops fotografierten bei allen möglichen und unmöglichen Möglichkeiten. Mich auch.
Mein Tag begann mit einem leichten Stretching auf dem Seitendeck vor meiner Kabine. In der Kabine selbst ging das nicht. Zwischen meinem Kopf und der Kabinendecke blieben nur zwanzig Zentimeter Platz. Nach meinem Morgensport machte ich Toilette und ging frühstücken. Meinen Tischsteward verblüffte ich schon beim ersten Frühstück. Ich aß fünf Brötchen und zwei Schnitten dunkles Brot. Für den Belag, den ich mir vom Buffet holte, brauchte ich zwei Teller. Dazu trank ich drei Tassen Tee. bestellte für die folgenden Tage jeweils ein großes Glas leicht angewärmten Tomatensaft, frische Zucchinis und Fischsalat.
Solange ich nicht an den Ausflügen teilnahm, machte ich nach meinem einstündigen Frühstück einen kleinen Morgenspaziergang über alle Decks und ging dann in den Fitnessraum. Dort blieb ich fast zwei Stunden. Lustig war dabei der erste Tag. Ich wurde gewogen, ge - und vermessen. Die Fitnesstrainerin interessierte sich vor allem für den Schwimmring, wie sie meinen Bauch und Hüftspeck bezeichnete. Sie verpflichtete sich stirnrunzelnd, meinen Umfang zu reduzieren. Ich sollte zweimal am Tag zum Sport kommen und abends nicht so viel Essen. Nach dem Sport duschte ich ausgiebig. Als ich auf das Sonnendeck durfte, aalte ich mich dort, gut mit Sonnenschutzöl eingerieben bis zum Mittagessen. Das Einölen übernahm, nach einem Vortrag über die gesundheitlichen Vor- und Nachteile des Sonnenbadens, die Trainerin. Nach dem Mittagessen, welches nicht so reichlich ausfiel wie das Frühstück, widmete ich mich außer dem nochmaligen Sport, den anderen Genüssen die geboten wurden.
Nach einem reichlichen Abendessen ging’s in die Disco. Das Showprogramm um zweiundzwanzig Uhr sah ich mir nur einmal an. Zu sehen gab es nichts Besonderes. Die Damen des Balletts hatten zu viel an, alle Akteure schienen gelangweilt.
Am dritten Tag ging ich zum Zahlmeister und beschwerte mich.
Ich hatte zum Frühstück keinen Tomatensaft bekommen, der Fisch schmeckte alt und nach zweiundzwanzig Uhr gab es in der Disco und auf dem ganzen Schiff nichts mehr, außer Salzstangen, zu essen. Der Zahlmeister versprach anzuordnen, dass abends und in der Nacht kleine Snacks angeboten würden. Am nächsten Morgen sagte die Fitnesstrainerin zu mir: „Ich habe beim Kapitän durchgesetzt, dass es nach dem Abendessen keine Speisen irgendeiner Art gibt. Spätes Essen kurz vorm Schlafengehen macht dick!“ Ich fragte provokatorisch: „Schon mal was von der Behändigkeit der Dicken gehört?“ Meine Frage brachte mir ein zusätzliches, schweißtreibendes Training ein.
Am vierten Tag gab es ein „Capitäns-Dinner“.
Passagiere, die nicht das Pensionspaket gebucht hatten, und ihr Abendessen (per Buffet) sonst im Restaurant Messalina einnahmen, mussten zuzahlen. Der Kapitän und ein paar Schiffsoffiziere saßen zum Dinner an einem runden Tisch und kümmerten sich überhaupt nicht um uns Passagiere. Sie waren eben nur da. Die Passagiere, die vom Fernsehen das Dinner etwas anders kannten und die zuzahlenden Gäste waren schwer enttäuscht.

Das Buffet
Am Tag nach der Besichtigung von Neapel hatte ich ein, für die weiteren Tage auf dem Schiff, glückliches Erlebnis, welches irre begann. Eigentlich sind Ausflüge vom Schiff aus Blödsinn. Entweder man steigt am Morgen in den Bus, schaukelt stundenlag durch die Landschaft, wird mittags in einem überfüllten Lokal abgefüttert und schaukelt wieder zurück. Oder man steigt zur Stadtrundfahrt in einen Bus. Saust durch die Stadt. Wird mittags in einem überfüllten Lokal der untersten Kategorie abgefüttert und läuft dann ein bisschen herum, bis es wieder auf das Schiff geht. Hauptsache, man kann sagen: Ich bin dort gewesen! Vielleicht sollen die Kreuzfahrten auch nur Appetit auf einen längeren Aufenthalt in Stadt oder Land machen.
Ich hatte mich zum Mittagbrot wieder einmal über Studienrats geärgert. Pfiff auf das Fitnessstudio und trank Tigertee in einer Tages bar. Nach Überschreitung des normalen Levels wurde ich müde und begab mich in meine Kabine, um etwas zu ruhen. Ich zog mich aus und legte mich hin.
Als ich aufwachte war es halb acht. Verschlafen. Ich machte mich rasch fertig und ging in die Messalina frühstücken. Wie üblich sagte ich an der Tür: „Ich wünsche einen wunderschönen guten Morgen!“ Alles guckte. An meinem Tisch waren alle Plätze besetzt. Ich stutzte und fragte: „Was ist hier los? Wieso ist mein Platz besetzt?“ Die Dame, die dort saß sagte: „Irrtum ihrerseits, ich sitze immer hier.“ Ich sah nach dem Steward um mich zu beschweren. Es war ein anderer. Er sagte lächelnd: „Sehen Sie einmal auf Ihre Uhr.“ Ich sagte: „Das brauche ich nicht, es ist kurz nach acht.“ Er nickte und sagte zu meiner grenzenlosen Verblüffung: „Das stimmt. Aber abends!“ Ich starrte ihn an. Als ich mich von meinem Schreck erholt hatte, fragte ich: „Ist für mich irgendwo ein Plätzchen frei?“ Von mehreren Tischen wurde gerufen: „Hier.“ Laut sagte ich: „Hört alle einmal her. Ist unter Euch ein Beamter?“ „Nein“, schallte es im Chor. Ich fragte den Steward, ob es möglich sei, mein Essen immer hier einzunehmen. Er nickte.
Da ich morgens immer der Erste beim Frühstück war, Studienrats bei Ausflügen in einem anderen Bus saßen, und ich abends in der Messalina war, hatte ich keinen Ärger mehr mit Ihnen. Nach einem Gespräch mit dem Zahlmeister bekam ich mein Mittagessen in jedem Restaurant. Die Messalinaleute waren eine dufte Truppe. Hier gab es keine Überheblichkeit. Ich bereute den Wechsel nicht.
Ein paar Tage später begegnete ich der Frau Inspektor. Staunend blieb sie stehen, als sie mich sah. Ich beachtete sie nicht weiter und ging vorbei. An ihrem Herrn Vater, dem ich einen Tag später begegnete, kam ich nicht so weg. Er fragte: „Herr Baron, meine Tochter erzählte uns, sie hätte Sie gesehen. Sie sind ja wirklich noch auf dem Schiff. Wir dachten, Sie wären unterwegs verloren gegangen.“ Wie sprach denn der Mann? Sonst sprach er immer so geschraubt. Freundlich lächelnd sagte ich: „Herr Oberstudienrat Möller, ich bin weder verloren gegangen noch bin ich Baron. Ich bin auch kein Rat, sondern Rentner. Ich habe nur das Lokal gewechselt, da ich mich mit den Leuten mit denen ich am Tisch gesessen habe nicht verstand. Die waren für mich zu vornehm. Solchen Umgang bin ich nicht gewohnt!“ Er schluckte. Sagte aber dann tapfer: „Der Tischsteward informierte uns, dass Sie Lesungen veranstalten. An der Infotafel und in dem Schiffsnachrichtenblatt steht das auch.“ Nickend erwiderte ich: „Das stimmt. Im Messalina haben wir ein kleines Programm mit dem Thema „SehnSucht“ zusammengestellt. Acht Leute bringen eigene Gedichte und Geschichten zu Gehör. In den Zwischenpausen wird passende Musik von Vivaldi Tschaikowsky, Chopin und Brahms gespielt. Getanzt wird auch. Wir sind fleißig beim Üben.“ Während wir uns unterhielten, waren Frau Möller und der Kapitän zu uns getreten. Frau Möller meinte, dass sie mir nicht zugetraut hätte, so eine Veranstaltung zu organisieren. Ich pflichtete ihr bei: „Ich auch nicht. Der Gedanke kam von allen. Die Schiffsleitung organisiert.“ Nachdem ich das gesagt hatte, ging ich weiter.
Der Kapitän sprach mich später an: „Was haben Sie eigentlich gegen Herrn Möller? Das ist doch ein ganz patenter Mensch.“ „Finde ich nicht. Er tut so, als wären nur Beamte Menschen. Und speziell Studienräte richtige Menschen.“ Der Kapitän lachte. Dann sagte er: „Sie haben es ihm aber richtig gegeben. Ich habe gehört was Sie über den Wechsel sagten. Das hat er bis jetzt noch nicht verdaut.“
Die Lesung wurde ein großer Erfolg. Obwohl nur neunzig Minuten dafür geplant waren, wurden durch mehrere Zugaben, fast vier Stunden daraus. Die Chefstewardess eröffnete die Lesung. Der Kapitän nahm zum Schluss das Wort. Er brachte zum Ausdruck, dass ebensolche Veranstaltungen in das Schiffsprogramm späterer Fahrten aufgenommen würden.       
Herr Möller schlug mir vor, wieder an „unseren“ Tisch zu kommen. Ich lehnte ab. Als mich Frau Möller fragte, warum ich dies Angebot ablehnen würde, stellte ich klar: „Erstens wurde ich wie ein minderwertiger Mensch behandelt, weil ich kein Beamter bin. Zweitens hat mich Ihre Tochter öffentlich einen alten Knochen genannt. Das stimmt zwar, aber man sollte es nicht sagen. Entschuldigt hat sie sich bis jetzt noch nicht. Genauso wenig hat sich Ihr Herr Gemahl für sein Benehmen entschuldigt. Und drittens fühle ich mich im Messalina unter normalen Menschen sehr wohl. Warum sollte ich also nochmal wechseln? Oder findet Familie Möller, dass die Messalinaleute kein Umgang sind?“
Familie Möller entschuldigte sich nicht. Traf ich einen der Möllers irgendwo, waren sie für mich Luft. So gingen wir uns aus dem Weg, bis ich am Tag vor Beendigung der Reise eine mächtige Überraschung erlebte.

Freizeit
Zu Beginn der Kreuzfahrt langweilte ich mich entsetzlich. Abgesehen von dem Ärger mit Studienrats und den Zumutungen der Fitnesstrainerin, gab es keine Abwechslungen. Die ersten vier Landausflüge machte ich ja nicht mit. Glücklicherweise lernte ich im Dartraum ein paar Kinder kennen. Ich hatte schon immer einen guten Draht zu Kindern gehabt. Wir unterhielten uns beim Darten und verabredeten uns für den Nachmittag. Zusammen erkundeten wir das ganze Schiff. Weder die Brücke noch der Maschinenraum waren vor uns sicher. Ein paar kleinere Mädchen sahen unseren Unternehmungen und Spielen gelangweilt zu. Mir fielen Spiele ein, die wir früher in unserem Hof gemacht hatten. In der Boutique besorgte ich mir eine billige Halskette und vom Zahlmeister ein Stück Kreide. Zum Entsetzen der Deckoffiziere malte ich auf dem Vorderdeck ein Spielfeld für „Himmelhuppe“ auf die Planken. Nach einigen Erklärungen und meinen Vorführungen, spielten die Mädchen begeistert Himmelhuppe. Als ich auf dem Deck herum hüpfte, lachten alle Erwachsenen Tränen. Als die Kinder, die Jungs machten nach einiger Zeit auch mit, genug gehüpft waren, wollte ich die Kreidefelder wegmachen. Eine junge Stewardess meinte: „Lassen Sie doch. Ich mache das Deck sauber.“ Die Frauen machten nicht sauber. Erstaunt sah ich zu, wie nun erwachsene Frauen auf dem Deck herum hüpften.
Im Restaurant Renaissance hatte ich eine Frau getroffen, die mit ihrer Familie die Kreuzfahrt machte. Sie kannte ich flüchtig, Kind und Mann nicht. Das Kind, ein neunjähriger Junge hieß Paul. Während die Frau nicht so richtig zu wissen schien, wie sie sich mir gegenüber benehmen sollte, war der Gatte regelrecht ruppig. Paul schloss sich unserer Truppe an. Vielleicht hätten wir das Schiff nicht so erforschen können, wenn ich nicht am ersten Tag das Koffererlebnis mit den beiden Damen gehabt hätte. Die Kinderanimateurin und zwei Mütter schlossen sich an. Ein großartiges Erlebnis für die Jungs war es, als sie am Ruder stehend, das Schiff „steuern“ durften. Andere probierten den Maschinentelegrafen aus. Abends betätigte ich mich als Babysitter. Nicht nur bei Kleinkindern. Die jungen Eltern waren erleichtert, als sich ein Dummer fand, dem sie ihre quengelnden Kinder anvertrauen konnten. Als mir schließlich zugemutet wurde, Kinder ins Heiabettchen zu bringen, streikte ich!
Hatte ich am Tag nichts zu tun, fand sich immer mal ein Bordtier bei mir ein. Es gab zwei Bordkatzenfamilien, die sich ständig befehdeten. Lag ich auf dem hinteren Backbordseitendeck auf meinem Liegestuhl, dauerte es nicht lange, bis die Katzen um einen Platz auf mir kämpften. Ich wurde gar nicht gefragt, ob ich als Ruhekissen dienen wollte. Musste ich einmal weg und kam dann wieder, hatte sich die Bagage auf meinem Liegestuhl so breit wie nur möglich gemacht. Als ich eines Morgens wie üblich meinen Frühsport auf dem Seitendeck machte, musste ich feststellen, dass ich den Katzen als Alleinunterhalter diente. Alle saßen da und guckten zu, wie ich mich verrenkte. Wutentbrannt ging ich auf der Seite über das Vorderdeck zum Bug. Die Katzen liefen schön brav hinter mir her. Da die Crew das mitbekam, bekam ich den schönen Nicknamen „Rattenfänger“.
Da jeder Mensch seine Ruhe braucht, vor allem ich, überdachte ich die Situation. Am liebsten mache ich nichts. Gar nichts! Auf dem Kahn war ich von Früh bis abends beschäftigt. Auch während der Landausflüge. Nach dem Training, besser gesagt Fettreduzierungssport, wurde gedartet. Nach dem Mittagbrot und dem anschließenden Programm, war ich bis zum Dinner mit der Kindertruppe beschäftigt. Abgesehen von einer kurzen Pause für Tee time.
Ich suchte und fand einen Ausweg! Nach dem Training wurde ich bis zum Mittagbrot unsichtbar! Das Dach des obersten Decks (Deck Des Etoiles), zwischen Schornstein und Funkmast, war für Passagiere Tabu. Für ein Trinkgeld war für meine Luftmatratze und mich Platz. Die Bordtiger beschützten mich.

Abends
Wenn die Kinder ins Bettchen gebracht waren, hatten nicht nur die Eltern Freizeit, ich eigentlich auch. Die Tanzlokale und Bars füllten sich. Ich tanze nicht so gern. Tanz ist für mich nicht Vergnügen, sondern Anstrengung. Körperliche und geistige Anstrengung. Bei der rhythmischen Bewegung des Tanzens bricht mir der Schweiß aus. Beim Unterhalten der Tanzpartnerin auch. Was soll man sagen? Meist sind es ja beim Tanzen völlig geistlose Gespräche. Ich tanze gern Wiener Walzer, rassigen Foxtrott oder schmalzigen Tango. Gehe gern zu Turniertänzen, wo mir besonders der Jive gefällt.
Als ich am ersten Abend nacheinander die Damen meines Tisches aufforderte, hatte ich eine Reihe Misserfolge. Als wohlerzogener, höflicher Mensch, bat ich zuerst die Frau Oberstudienrat zum Tanz. Wäre der Herr Gatte und Tischpräsident das gewesen, für das er sich ausgab, dann hätte er gleich zu Anfang gesagt: „Herr Meran, die Damen möchten nicht mit Ihnen tanzen!“ Als ich die Frau Oberstudienrat aufforderte, ich fragte natürlich den Gatten, ob er mir einen Tanz mit seiner Frau gestatte, sagte der Mann: „Meine Gattin tanzt nicht!“ Dann kam: „Meine Tochter tanzt nicht!“ Die Damen tanzten doch. Nur nicht mit mir. Die Damen der Nachbartische sahen natürlich, was vorging und machten sich ihre Gedanken. Die Folge war, dass ich nur Körbe bekam und schließlich fast aufgegeben hätte. Versuchte es nochmal bei älteren, ein wenig korpulenten Damen und hatte Glück. Allerdings war ich anschließend mehr als geschafft. Nach drei Abenden war mir die Lust vergangen. An der Bar herumhängen war auch sinnlos. Die Damen unterhielten sich meist über Schuhe und Taschen. Ich bummelte durch die Decks, tanzte für mich in der Disco und quatschte mit dem Personal.
Als es sich herumgesprochen hatte, dass ich mich nicht nur um die Kinder kümmerte, dass ich Autor und Journalist war und Lesungen veranstaltete, wurde ich für die Damen interessant. Die Schnüffelei der Kabinenstewardess und das Getue der Oberstudienrats tat ein Übriges. Und es kam noch etwas dazu. Bei einem Landgang hatte ich einen Markthändler ausgetrickst und verhindert, dass eine Frau viel Geld für minderwertige Ware ausgab. Nun wurde ich für würdig befunden mich mit den Herrschafften unterhalten zu dürfen. Bei Damenwahl wurde ich zum Tanz aufgefordert. Was tut ein Mann, wenn er nicht tanzen will? Kann man sich leisten, einer Dame einen Korb zu geben? Die erste Frau die mich ansprach war ausgerechnet die Frau Inspektor! Sie gewollt erstaunt und verblüfft ansehend, sagte ich: „Entschuldigen Sie bitte Frau Inspektor, Ihr Vater, der Herr Oberstudienrat sagte mir, dass Sie nicht tanzen. Bestimmt meinte er, dass Sie nicht mit mir tanzen wollten. Wieso hat sich Ihre Meinung plötzlich geändert?“ Sie stammelte etwas. Worauf ich unmissverständlich sagte: „Zu Beginn wollten Sie, Ihre Schwester und Ihre Mutter nicht mit mir Tanzen, jetzt will ich nicht. Guten Abend noch.“  
Ein paar Mal konnte ich den Aufforderungen der Damen nicht wiederstehen. Danach ging es regelmäßig an die Bar. Die Damen wollten an die Bar! Renner waren Cream Drinks. Banschee, Sombrero, King Alfonso. Ein Glas – Mini glas kostete 4,85 €! Sekt war billig. Nur 16,50 € die Flasche. Ich trinke nur Whisky oder Tequila. Ein Scotch, fast unsichtbar im Whiskybecher 3,15 €. Den Whisky oder Rum bekam ich zuerst immer hochverdünnt. Großes Glas. Viel Flüssigkeit. Wenig Alkohol. Whisky ist Lebenswasser! Lebenswasser trinke ich unverdünnt und ohne Eis! Als ich das erste Mal Whisky auf dem Schiff bestellte, saß ich auf dem Vorderdeck. Der Steward stellte mir das Glas auf den Tisch. Jede Menge Eis. Ich monierte sofort. Als er brummend das Glas zur Bar zurückbrachte, beobachtete ich, ich war ihm gefolgt, wie der Barmann mit seiner Tatze in das Glas langte und das Eis herausfischte. Als der Steward das eislose Getränk, ich saß wieder brav auf meinem Platz, vor mich hinstellte, monierte ich die Verdünnung. Wieder verschwand der Steward brummend. Dafür bekam ich nun einen richtigen unverdünnten Scotch. Das Wasser konnte der Barmann ja nicht herausfischen. Der Wein den ich abends trank, Hausmarke – undefinierbare Herkunft und Rebe, schmeckte ganz gut. Die Flasche kostete 15,15 €.
Das Tanzen wurde ein teurer Spaß. Je Runde und Dame ein Barbesuch. Es blieb ja nicht immer bei einem Glas. Eigentlich hätten die Mütter deren Kinder ich am Tag betreute und unterhielt mir den Barbesuch bezahlen müssen. Mit mir als Dank zu tanzen und sich spiritusische Köstlichkeiten spendieren zu lassen, konnte ich nicht als Dank akzeptieren! Also blieb ich nun den Tanzlokalen und Bars fern. Dass ich den Damen nicht besonders nahe kam, hatte noch einen anderen Grund. Sie wollten die Bekanntschaft eines alten Knochens nicht!
So wie sich die Oberstudienrats bei meinem Alter verschätzt hatten, verschätzten sich anfangs die Damen im Allgemeinen. Auch sprach sich mein Alter langsam herum. Die Damen begannen Ansprüche zu stellen. Ich bekam eindeutige Angebote zusammen mit ebenso eindeutigen Wünschen. Eine der Damen schleifte mich sogar zuerst durch die Boutique, bevor das Angebot kam. Ich verglich Bikinifigur, Gesprächsniveau, Kleid preis und Offerte und lehnte ab.
Eines Abends fragte mich ein Schiffsoffizier, ob ich nicht mit auf die Brücke kommen wolle. Natürlich wollte ich. Meine Fragen wurden von der Wache allgemeinverständlich beantwortet. Mit den Kindern war ich am Tage schon mehrmals auf der Brücke gewesen. Nachts war das etwas ganz anderes. Genauso wie bei der Bahn. Ein Bahnhof sieht in der Dunkelheit ganz anders aus, als am Tag. Nur wer sich genau auskennt, findet sich zu Recht. So war es auch auf dem Schiff. Ich kam ab diesem Abend fast regelmäßig auf die Brücke und übernahm auch gleitend Aufgaben, die eine Landratte gefahrlos, gefahrlos für sich und das Schiff, ausüben konnte. Erst jetzt wurde ich auf dem Schiff heimisch, fühlte mich wohl und ging den Tag und oft auch die Nacht, ganz anders an, als zu vor. Die Mannschaft, immer zu Späßen aufgelegt, "beförderte" mich eines Tages zum "Untersteuermann". Der Zeugmann versorgte mich mit Schiffskleidung. Hatte ich zu erst nur an einen Spaß gedacht, wurde doch Ernst daraus. Ich ging Wache und arbeitete in allen möglichen Bereichen. Nach Feierabend,, der nicht am Abend sein musste, schrieb ich Kurzgeschichten, über den verbrachten Tag. Im Funkraum beschwatzte ich den Funker, meistens abends oder auch in der Nacht und trug dann über Funk, meine Tageserlebnisse vor. Eines Tages, in einer Hafenkneipe sitzend, hörte ich wie mehrere Matrosen über meine Geschichten sprachen und wetteten über das Thema der nächsten Geschichte. Ich hatte mich zum Nachbartisch beugend, gefragt, was für Geschichten und Themen ihnen gefallen würden. Dabei lies ich anklingen, dass ich Geschichten schreiben würde. Wie üblich und erlebt, konnten sich die Seeleute nicht vorstellen, dass ich Schriftsteller wäre und verhöhnten mich. 

Ich schrieb und setzte mich, wenn ich Zeit hatte und der Funker es erlaubte, ans Mikro. Ein Sender meldete sich und der Kapitän stimmte zu. Das "Funkhaus" "Schiff of Meer" wurde geboren. "Lebte aber nicht lange!" Einige Matrosen des Schiffes, waren in der Kneipe dabeigewesen und erkannten mich. Für sie war ich ein Angeber. Von wegen Schriftsteller! Es blieb nicht nur bei Worten! Eines nachts, wurde ich verprügelt. Ich kam nicht mehr in den Funkraum, informierte den Sender und den Kapitän und ging der Mannschaft aus dem Weg, soweit das ging. Der Sender ergriff die Initiative. Die Schiffsleitung erklärte mich zur unerwünschten Person und ließ mich in einem Hafen zurück.

Etwas besseres, konnte mir gar nicht passieren! Gerngesehener Gast in den Hotels und Gaststätten, trug ich nicht nur meine Geschichten vor, sondern auch meine Schiffserlebnisse!

Die Behörden griffen ein und ich erlebte eine tolle, kostenfreie Reise, zurück in meine Heimat!

Ich schreibe immer noch. Aber im Internet, und wer will, kann die Geschichten mit Quellenangabe (Autor: Kurt Meran von Meranien) kostenfrei weiterverwenden!

Kurt Meran von Meranien 02.01.2011

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Au – ach was - fein
Ich bin heute beim Arzt gewesen. Einem Orthopäden. Na ja, es war eine Orthopädin. Eine sehr hübsche Frau und eine junge Assistentin.
Vor ein paar Wochen waren Vertreter einer Heizkörperreinigungsfirma bei mir und hatten die Heizkörper gereinigt. Dabei hatten sie mir, neben dem Reinigen, den Vorschlag gemacht, mir einen Dampfreiniger für über 1000,- € zuzulegen und ich bekam sogar ein Sonderangebot. Nebenbei stellte der Manager bei mir einen Beckenschiefstand oder so etwas ähnliches und einen Wirbelschaden fest. Ich kaufte das Dampfreinigungsgerät nicht und meldete mich auch nicht bei der Firma an, um den Rückenwirbelschaden beheben zu lassen, sondern konsultierte die Orthopädin.
Im Wartezimmer füllte ich einen dreiseitigen Fragebogen aus. Der war aber nicht so schön, wie das, was ich immer mit zu Fachärzten nehme. Ich habe meine Krankengeschichte seit 1955 mit allen Gewohnheiten, Diagnosen, Unfällen, Krankenhausaufenthalten, Operationen, Rettungswagenbenutzungen und Vorsorgeuntersuchungen inkl. der Arztadressen dokumentiert und habe das mehrseitige Dokument, inkl. Vorsorgevollmacht, immer dabei.
Das Behandlungsteam war fasziniert. Als ich dann noch erzählte, dass ich seit 1990 jeden Morgen 20 Minuten Frühsport mache, musste ich gleich ein paar Übungen vorführen. Ich bekam Beifall für meine Leistung. Nach dieser Vorstellung durfte ich mich ausziehen und wurde abgetastet. Leider tastete die nette Ärztin mir nur den Rücken ab.
Ich gehe lieber zu Ärztinnen, als zu Ärzten. Die Frauen sind verständnisvoller und einfühlsamer. Und Männer, seien wir doch einmal ehrlich, eine Untersuchung durch eine Frau, ist doch viel schöner, als durch einen Mann. Wenn die Ärztinnen mit bebenden Fingern über unsere empfindlichen Stellen ehem empfindliche Haut streichen, da ist das doch, egal was bei der Untersuchung rauskommt, ein super Erlebnis!
Kurt Meran von Meranien 09.04.2018
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Paula
Paula ging in ihren Garten. Immer wenn sie ungestört allein sein wollte, suchte sie ihren Garten auf. Einige Zeit nachdem ihre Eltern sich vor fünf Jahren scheiden ließen, grenzte sie sich im großen Hausgarten ein Stück ab.

Ihre Familie bewohnte ein kleines Einfamilienhaus am Rande der Stadt. Der an das Haus angrenzende Garten, den ihr Vati zusammen mit ihren beiden älteren Brüdern immer gepflegt hatte, verwilderte langsam. Er war mit ihren Brüdern ausgezogen und sie lebte mit ihrer Mutti allein. Sie hatte damals viel Kummer. Sie konnte überhaupt nicht verstehen, warum plötzlich so alles anders wurde.
Paula brauchte Abwechslung und eine Aufgabe.
Und eines Nachmittags begann sie mit Hacke und Spaten im Garten zu arbeiten. Ganz hinten, weit weg vom Haus und der Straße grub sie um. Als der Gartennachbar merkte was da vor sich ging, kam er herüber. Mit seiner Hilfe war schnell ein großes Stück umgegraben. Sie steckten zusammen Rabatten und andere Flächen ab. Später arbeitete sie meist allein. Ihre Mutti kümmerte sich überhaupt nicht darum, was sie im Garten machte. Nach einiger Zeit nahm ihr eigener kleiner Garten Gestalt an. Überall und zu jeder Zeit, blühten vielfarbige Blumen. Um eine Sitzecke herum standen dicht an dicht Rosenbüsche. In ihnen summte und brummte es. Paula hatte die Biologielehrerin angesprochen. Die hatte ihr zwar manches erklärt, aber ihr gefiel der lehrhafte Ton nicht. Als sie einmal mit ihrer Mutti im Tiergarten war, hatte sie nicht nur die Tiere, sondern auch die gepflegten Anlagen bewundert. In ihrem Garten versuchte sie das gesehene umzusetzen. Als Vati und ihre Brüder sie bei einem Besuch einmal gesucht hatten, waren sie erstaunt über das, was es in dem kleinen Garten gab. Aber auch ihre Schulkameraden besuchten sie manchmal. Gern machten ihre Freundinnen zusammen mit ihr die Schulaufgaben im Garten. Die Sitzecke wurde erweitert und ausgebaut. Als ihre Freundinnen in der Klasse vom Garten erzählten, konnte sie sich eigentlich nicht mehr über fehlende Hilfe beklagen. Der Nachbar, die Brüder, die Freundinnen und ab und zu ein Schulkamerad halfen bei den Gartenarbeiten. So schüchtern sie sonst war, im Garten war sie die Chefin. Die Anderen konnten Vorschläge machen und Helfen, Bestimmer war Paula.

Sie ging jetzt auch öfter in den Tierpark. Eines Tages hatte sie sich ein Herz gefasst und einen Zoomitarbeiter angesprochen. Dieser verwickelte sie in ein Gespräch über das Zusammenleben von Tieren und Pflanzen und zeigte ihr verschiedenes. Was ihr besonders gefiel, war, dass er sie nicht belehrte, sondern von gleich zu gleich mit ihr sprach. Sie lernte die anderen Zoomitarbeiter kennen und lud eines Tages ein bisschen verlegen in ihren Garten ein. Hier zeigte sie stolz ihr Refugium.

Der gesamte Garten hatte sich erholt. Alle Besucher hatten geholfen, aus der verwilderten Einöde einen Hausgarten und aus Paulas Stück ein Kleinod zu machen. Vati hatte einen großen Marktschirm spendiert. Die Brüder hatten um die Sitzecke herum ein halbkugelförmiges Drahtgitter gebaut und mit Schlingknöterich bepflanzt. Der Knöterich hatte bald die Sitzecke überwuchert. So war eine romantische Laube entstanden. Auf Vorschlag der Freundinnen waren ein Badeteich und ein kleiner Fischteich angelegt worden. Die Klasse hatte gesammelt und ihr zum Geburtstag mehrere Koys geschenkt. Ein winziger Rasen lud zum Hinlegen ein. Auch einen Grillplatz gab es. Bei Dunkelheit leuchteten solarbetriebene weiße und farbige Lampen an den Wegen und zwischen dem Knöterich.
Die Zoomitarbeiter waren begeistert.
Sie machten einige Vorschläge und spendierten wenig später exotische Pflanzen und einen kleinen Papagei, dessen Lieblingsplatz die linke Schulter Paulas wurde.

Papa und die Brüder fanden sich jetzt fast jedes Wochenende ein. Sie brachten immer etwas mit. Grillzeug, Pflanzen, Steine. Um Wege zu sparen übernachteten sie im Haus. Paula bestand darauf, dass gemeinsam gegessen wurde.

Sie bemerkte, dass Mama wieder lächeln konnte und die Männer bei der Gartenarbeit fröhlich waren.

Kurt Meran von Meranien 06.03.2011

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Als ich diese Geschichte eines Tages, während einer Lesung im Verein ... , vortrug, wurde sie, als unreal, bewertet! Die Vorsitzende regte sich über die Koys auf. Diese wären so teuer, dass Schüler sie nicht bezahlen und pflegen könnten. Ich kannte die Preise. Argumentierte, die Eltern haben bestimmt mitgewirkt. Die Vorsitzende, "untersuchte" nun jeden meiner Beiträge. Ich gab auf und blieb weg.

Friede ihrer Seele!

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  - Alle Fremdangaben / Texte seitens des L-Schoenefelder-Almanach ohne Gewähr -

Beiträge : Georg Hans Schlitte / Kurt Meran von Meranien

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