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Kurzgeschichten 10

Aus der Erinnerung - erlebt 1955 bis 1958 in einer Orthopädiewerkstatt -

Schließlich wurde ich Arbeiter in einer mechanischen Werkstatt. Aufträge gab es genug, Material wenig. Mein Meister war über meine drei linken Hände erbost. Aber dann fand er heraus, dass ich gut im Materialeinkauf war. Unsere Maschinen und Geräte waren uralt. Ich nehme an, dass der Maler der Sixtinischen Kapelle sie entworfen und gebaut hatte. Um Ersatzteile für dieses Uraltgerümpel zu bekommen, musste man tagelang alle möglichen Geschäfte und Werkstätten aufsuchen. Ich musste mich ständig herumtreiben und Ersatzteile beschaffen. Das war für mich sehr schlimm. Ich erzählte in der Werkstatt, dass ich feste Arbeit und keine Bummelei liebte. In Zukunft fand ich in meiner Lohntüte immer einmal einen besonderen Geldschein.

In unserer Werkstatt, die aus vier größeren Räumen und einer Schmiede bestand, arbeiteten, als ich anfing vierzehn Gesellen, fünf Lehrlinge und ein Hilfsarbeiter. Sie bestand aus zwei Ableitungen die jeweils von einem Altgesellen geleitet wurden. Die Lehrlinge gingen für die Gesellen einkaufen. Da wurde nicht nur tägliches Frühstück gekauft. Zwei der Gesellen waren alleinstehend. Die Herren Gesellen gingen nicht nach Feierabend selbst einkaufen! Wenn die Lehrlinge Schule hatten, musste ich dran glauben. Der Unterschied war, dass die Lehrlinge sich die Aufträge aufteilen konnten. Ich musste das allein hinkriegen. Aufschreiben war verpönt. Nach einigen Reinfällen, ich war zur Frühstückszeit noch nicht wieder da, ging ich viel zeitiger los als

die Lehrbuben.

Was gab es nicht alles für irre Aufträge!

Eine saure Gurke von einer bestimmten Länge und Dicke. Nicht zu weich und nicht zu fest! Aufschnitt. Die Scheiben und die Wurstsorten wurden einzeln benannt. Einer wollte Brötchen von dem Bäcker, der Andere Brötchen von einem ganz anderem. Milch aus dem Konsum. Milch aus der HO. Ein Geselle hinterlegte beim Prokuristen seine Alimente. Vierzig Mark. Gab mir ein Fünfzigmarkschein. Ich ging zum Wechseln zur Bank und verlangte fünfzig Ein-Markscheine. Der Kerl fing an zu toben, als ich ihm das Geld langsam vor-zählte. Der Kerl mit der Milch aus dem Konsum, behauptete eines Tages, die Milch hätte einen Stich. Das glaubte ich zwar nicht, musste aber neue holen und selbst bezahlen. Für den anderen Heini musste ich die Milch in der Flasche schütteln. Als mir das zu bunt wurde, beschaffte ich mir Gips. Beide bekamen Gipsflaschen. Das Gemecker hörte auf.

Das Ersatzteillager lag im zweiten Stock. Ich ärgerte den Meister immer einmal, in dem ich mehrmals am Tag in das Lager musste. Schließlich bekam ich einen eigenen Schlüssel und avancierte nebenbei zum Lagerverwalter. Da der Meister keine Übersicht hatte, was sich im Lager befand, der Bestand wurde nicht registriert, brach für mich eine schöne Zeit an! Ich fertigte Karteikarten an, die ich selbst verwaltete. Registrierte genau, wer was aus dem Lager wollte.

Und ich war selbstverständlich in einem gewissen Maße bestechlich. Im Lager befanden sich viele Ersatzteile, die in unserer Werkstatt keine Verwendung fanden. Damit konnte ich aber prima Tauschen. Das Geschäft florierte. Die Werkstatt hatte stets genügend Material für die Produktion, die Gesellen hatten genügend Material zum „Pfuschen“ und ich hatte genügend Geld.

Leider hält kein Zustand ewig an.

Eine kleine Meinungsverschiedenheit gab es, als der Meister eine riesige Platte Gummi erstand. Das war die Zeit, als Schuhe mit dicken Gummisohlen Mode wurden. Einer der jüngeren Gesellen war sehr geschickt im Schuhmacherhandwerk. Bald hatten wir alle Sandalen mit dicken Gummisohlen. Ich schnitt immer schön rechtwinklig soviel von der Platte ab, wie gerade gebraucht wurde. Der Schuster nahm die Reste mit nach hause. Eines Tages meinte der Meister, seine Gummiplatte sei sehr klein. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was da passiert sein konnte. Der Meister gab schließlich auf. Ein paar Wochen später gab er mir gesprächsweise den Auftrag, aufzupassen ob Gesellen im Betrieb „Pfuschten“. Ich sollte ihm, natürlich gegen Lohn, Meldung machen.

Da hatte ich den Salat! Ich hatte nicht umsonst allen gesagt, sie sollten ihre Sandalen nicht im Betrieb tragen. In dieser Zwickmühle steckend, unterrichtete ich die Altgesellen. Das Pfuschen während der Arbeitszeit ging etwas zurück. Ich meldete nichts, war aber nun seltener im Betrieb, sondern auf Materialsuche.

Einer der Gesellen war ein richtiges vergeiztes Tier. Sein Arbeitskittel musste schon dem Eseltreiber der heiligen drei Könige gedient haben. Dauernd bettelte er um Zigaretten oder Essen. Ich nahm keine Zigaretten mehr in den Betrieb mit. Rauchte Zigarrenabfälle in der Pfeife. Auf dem Hilfsarbeiter können Gesellen als „Facharbeiter“ schön herum trampeln. Er ist für alles und alle Arbeiten gut. So kam dieser vertrocknete Geizhals eines Tages mit einer ebenso alten und zerkauten Tabakspfeife wie sein Kittel war, zu mir und verlangte Tabak für seine Pfeife. Als ich mich sperrte, drohte er, meine Geschäfte dem Chef zu melden. Also gab ich ihm Tabak. Ich kaufte jetzt immer Tabak für zwei. Eines Tages kam er auf die Idee, dass ich seine Pfeife auch stopfen könne. Ich sah mich nach einer Strafe um. Und eines Freitags klappte es. Wir bekamen Wochenlohn. In Tüten mit unserem Namen drauf. Der Prokurist war da gewesen und hatte uns unseren Lohn gebracht. Die Tüten waren einfache Umlaufkuverts. Auf jeder Tüte stand außer dem Namen auch die Wochenlohnsumme auf der linierten Seite. Der Geizhals kam, bevor er seine Tüte vom Tisch holte zu mir und befahl: „Pfeife stopfen!“ Der Altgeselle hatte mich schon einmal gefragt, warum ich das immer noch mache. Was sollte ich antworten? Heute zwinkerte ich ihm zu. Während ich die Pfeife stopfte, unterhielten sich die Gesellen. Der Mann kam, brannte seine Pfeife an, machte ein paar tiefe Züge, wurde grün im Gesicht und fiel um. Während sich alles um den Mann bemühte, nahm ich seine Pfeife, leerte den Pfeifenkopf, stopfte neu, vertauschte die Mundstücke brannte den Tabak an und machte ebenfalls ein paar tiefe Züge. Dann wechselte ich die Mundstücke wieder aus und legte die Pfeife auf den Tisch. Als der Kerl wieder zu sich gekommen war, beschimpfte er mich und behauptete, ich hätte ihm Rosshaar in die Pfeife getan. Da der Altgeselle meinte, das traue er mir nicht zu und ich heftig abstritt, ihm Rosshaar in die Pfeife getan zu haben, kratzte er seinen Pfeifenkopf aus. Unter dem ab-gerauchten Tabak war: Tabak. Ergrimmt nahm er mit Schwung seine Tüte. Was rutschte genauso schwungvoll heraus? Ein zusätzlicher Fünfzigmarkschein!

Der Altgeselle nahm ihn in seinem Glaspalast ins „Gebet“. Das war der neue Chefintimus. Bei mir hatte es nicht geklappt, beim Geizhals schon. Wir rieten dem Geizkragen aufzuhören. Fluchend ging er. Mir drohte er sogar mit der Faust. Dabei hatte ich gar nicht geschwindelt! Ich hatte ihm kein Rosshaar in die Pfeife getan. Nur Filz!

Ein paar Tage später kam Polizei und durchsuchte den ganzen Betrieb. Im Lager war gerade Ebbe. Ich präsentierte der Polizei meinen Lagerbestand und den Bestandsnachweis. Alle Karten trugen schön säuberlich die unter-schriftliche Bestätigung des Meisters. Bei mir war nichts zu wollen und zu holen. Dafür hakte das Finanzamt nach. Der Meister legte mir einen Monat später nahe, meinen Arbeitsvertrag zu kündigen.

Ich nahm lächelnd Abschied von den Kollegen. Als ich anfing waren wir zwanzig Beschäftigte. Ein Jahr nach meinem Weggang waren es nur noch sechs.

Einer sagte mir viel später: „Ohne Dich war nichts mehr los!“

Kurt Meran

erlebt 1955 bis 1958 in einer Orthopädiewerkstatt – und verfremdet – Ich bin Orthopädie-Facharbeiter (Bandagist)

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***

Gresslisch!

Mein Gedächtnis spielte mir eben einen Streich.

Seit einigen Jahren „leide“ ich an Gedächtnisverlust. Abgesehen davon, kann ich nichts mehr lernen.

Zum Beispiel, habe ich eigentlich nie gelernt, ordnungsgemäß mit Frauen umzugehen. Ich bin sehr schüchtern und zurückhaltend dem weiblichen Geschlecht gegenüber. Eine Frau anzusprechen, fällt mir schwer, obwohl ich in einem Frauenhaushalt aufgewachsen bin. Oder vielleicht gerade deshalb.

Dazu kommt meine irre Erziehung. Meine Mutter redete mir ein, dasss Frauen krank wären und ich sie deshalb nicht ansprechen solle. Als ich mit zwanzig immer noch keine Freundin hatte, stellte sie mich zur Rede und war über meine Erklärung entsetzt. „So“ hätte sie es nicht gemeint. Sie hätte an „solche“ Frauen gedacht. Ich verstand nichts! Ab siebzehn war ich viel Tanzen gegangen. Hatte aber nie die Tanzpartnerin nach Hause, oder nur bis zur Haustür, gebracht!

Na ja. Man(n) lernt ja dazu. ABER ich hatte wohl nicht allzu viel dazugelernt. Mich sprachen eher Frauen an. Und wieder passierten Dinge, die ich mir nicht erklären konnte! ICH benahm mich entsetzlich grässlich!

Ging tanzen. Brachte die Damen nach Hause. Oft auch nach oben für ein paar Stunden oder eine Nacht. Heiratete. Ließ mich Scheiden. Heiratete wieder. Alles Gut. Wenn ich gerade einmal „FREI“ war, kam es ab und zu wieder zu entsetzlichem. 

Besuchten mich Frauen unangemeldet zu Hause, ließ ich sie nicht rein! Dasss passierte mir zweimal! Nach dem zweiten Mal fragte ich mich allen ernstes, ob ich eigentlich NORMAL oder eher VERRÜCKT sei!

Ich erinnere mich, als ob es heute wäre. Ich saß verzweifelt auf einer, auf der Parkbank, auf unserem Platz. „Unser“ Platz, war eine kleine Parkanlage direkt neben meinem Geburtshaus. Meine Freunde und ich spielten dort, als wir noch Kinder und machten Zukunftspläne, als wir Jugendliche waren.

Nach längerem Grübeln kam ich zu dem SCHLUSS, dass es Andere, als erste merken, wenn man verrückt ist. Da mir noch niemand ernsthaft gesagt hatte „Du bist verrückt“, kam ich zu der Erkenntnis – Ich hatte ganz einfach Mist gebaut und müsste mich bessern!

Viele Jahre später und nach vier geschiedenen Ehen, erklärte mir eine Wissenschaftlerin, ehe sie mir, bildlich gesprochen, einen Tritt gab, dasss ich EGOZENTRIKER und damit für die EHE untauglich wäre!

Und so hänge ich, als alter Mann, ja Greis, allein herum und träume … 

Kurt Meran

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Das Schloss

Ich saß dösend auf der Sonnenterrasse, die sich an den Salon anschloss, als Marianne auf mich zustürzte. Ehe ich etwas sagen konnte sprudelte sie los: „Kurt, Kurt wir müssen eine neue Versicherung abschließen!“

Ich sah sie fragend an. Marianne nahm diesen Blick als Aufforderung: „Man kann sich jetzt endlich gegen Frust versichern. Dass wollte ich schon lange. Jetzt geht es endlich.“ Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Marianne sprach aufgeregt weiter: „Ruf unseren Versicherungsfritzen an. Er soll herkommen und uns versichern.“ „Nun einmal langsam. Ich verstehe überhaupt nicht, was Du willst. Gegen Frust kann man sich nicht versichern. Wenn es das gäbe, hätte ich es längst getan.“ Marianne war nicht aufzuhalten: „Das ist mir klar, dass Du nichts verstehst! Du kehrst immer den klugen Kerl heraus, aber in Wirklichkeit bist Du ein ahnungsloser Versager.“ Ich donnerte die Faust auf den Tisch. „Ruhe jetzt, oder ich vergesse dass Du meine Gattin bist. Als ich damals auf der Kreuzfahrt das viele Geld gewonnen hatte, hatten wir unsere Wohnung in der Stadt aufgegeben. Und ich hatte eine kleine Villa, schön weit weg von Leipzig gekauft.

Unser Haus hatte im Erdgeschoss eine große Wohnküche, Bad mit Toilette, eine Gästetoilette und zwei Wohnzimmer. Marianne war allerdings der Meinung, dass das größere Zimmer der „Salon“ war. Durch den Salon gelangte man auf die Terrasse. Sie hatte damals völlig ernst gesagt: „Kurt, da wir hochadlig sind, verkehren wir mit unseren Gästen im Salon.“ Zu diesem Blödsinn hatte ich geschwiegen. Als zu meinem Geburtstag kein Besuch kam, hatte ich mich solange gewundert, bis ich mit einem meiner alten Freunde telefoniert hatte. Er sagte am Telefon: „Ich komme nie mehr zu Deinem Geburtstag. Ihr seid ja übergeschnappt!“ Er schickte mir die Einladung die Marianne verbrochen hatte. Marianne hatte Einladungskarten drucken lassen und allen zugestellt. Ich war einem Tobsuchtsanfall nahe, als ich folgendes lesen musste: Kurt Freiherr Meran von Meranien und Gemahlin geben sich die Ehre, sie auf ihrem Wohnsitz Schloss Schweineck begrüßen zu dürfen! Nun war mir klar, warum keiner unserer Bekannten ihre Drohung, uns zu besuchen war gemacht hatte.

Ein paar Tage nach dem Gespräch über die Frustversicherung, läutete es an unserem Tor. Unsere Villa lag etwas einsam auf einer riesigen Waldwiese, umgeben von einer Mauer. Ich hatte einen glorreichen Gedanken gehabt, und ihn mit Hilfe des Forstbetriebes umgesetzt. Um die Mauer herum wurde ein breiter und tiefer Graben angelegt. Über den Graben führte eine Zugbrücke. Geschützt durch ein Außenwerk, mit zwei Türmchen. Dadurch ähnelte unser Grundstück einem befestigten Schloss. Die Forstarbeiter hatten eifrig beim Bau mitgemacht und eigene Gedanken zur Ausführung beigesteuert. Für alle, außer Marianne war es ein großer Spaß gewesen. Der Zugang zu unserem Gelände war nicht ganz ungefährlich. Wir hatten mehrere Schweinesuhlen angelegt. Die Wildschweine hatten sie freudig angenommen. Ich verstand mich ganz gut mit ihnen. Sie grunzten zur Begrüßung, wenn sie mich sahen. Der Förster hatte mit ernster Miene gesagt: „Die Schweine erkennen Ihresgleichen.“ Die Forstarbeiter hatten gegrinst. Ich wusste nicht so recht, was ich zu dieser Bemerkung sagen sollte. Fest stand, dass es in unserer Nähe keine ungebetenen Fremden gab. Der Zufahrtsweg zum Grundstück lag höher als die Suhlen und hatte an den Seiten Zäune. Fünfzig Meter vor dem Tor hatte ich breite Stahlroste in den Weg eingelassen. Für Schweine eine unpassierbare Barriere.

Nachdem der Besucher den Grund seines Läutens genannt hatte, drückte ich verschiedene Knöpfe. Öffnen des Außentores. Herablassen der Brücke. Öffnen des Tores in der Mauer. Dem haltenden Auto entstieg ein Mann mittleren Alters. Er war etwas blass um die Nase. Mehrere Wildschweine hatten den Weg zum Grundstück kontrolliert. Sie waren die vorgeschobenen Posten. Feindlich gesinnte Gäste erkannten sie und ließen sie nicht durch.

Der Mann war der Versicherungsfritze! Marianne hatte ihn ohne mein Wissen bestellt.

Nach einer kleinen Stärkung begann er unsere Versicherungsunterlagen, Marianne hatte alles bereitgelegt, durchzusehen. Er blätterte und blätterte und machte sich Notizen. Ich sagte kein Wort. Marianne auch nicht. Unter was für einem Vorwand sie ihn auch bestellt hatte, einmal musste sie ja von der „Frustversicherung“ anfangen.

Der Mensch war fertig. Er sagte mit anerkennendem Ton: „Herr und Frau Meran, sie haben ja alles was sein sollte.

Und jetzt kam Mariannes große Stunde! Sie sagte laut und deutlich: „Herr Ring“, der Name passte gut zu der Versicherung, „wir haben sie hergebeten, um mit ihnen über die neue Versicherungsmöglichkeit, die Frustversicherung zu reden.“ Als sie „wir“ sagte, hatte ich ihr einen passablen Tritt versetzt. Herr Ring starrte Marianne an. Dann sah er zu mir. Ich zuckte mit den Schultern und sagte: „Meine Gattin hat davon gehört, und möchte nun kompetent beraten werden.“ Herr Ring sagte immer noch nichts. Es war still im Salon. So still, dass wir Männer das Geräusch hörten, das entstand, als Marianne sich ihr Schienbein massierte. Herr Ring holte mehrmals sehr tief Luft. Dann begann er über seine Versicherung zu sprechen. Er sprach langsam und artikuliert. In der fast einstündigen Rede kam das Wort –Frustversicherung- kein einziges Mal vor. Marianne sah ihn gespannt an. Ich grinste. Und dann explodierte der Herr. Er konnte sich einfach nicht mehr beherrschen. Brüllend beschwerte er sich mit ausgewählten Worten des Schulhofjargons. Mariannes Gesicht wurde immer länger. Ihre Gestalt schrumpfte. Ich stoppte den Mann schließlich und nahm ihn mit nach Nebenan. Hier verabreichte ich ihm einen großen Drink, nahm ihn mit zu einem Rundgang und zeigte ihm auch die lieben Wildschweine.

Er versprach mir, nie wieder zu uns zu kommen.

Am nächsten Tag erzählte ich den Forstarbeitern, dass bei der Versicherung des Herrn Ring die Frustversicherung im Sonderangebot wäre. Hätten sie Ärger zu Hause oder mit dem Förster, sollten sie das überaus günstige Angebot nutzen.

Einen Monat danach bekam ich Post aus Hamburg. Die Leute versprachen mir eine besonders günstige Absicherung, wenn ich ihren Namen nie wieder in den Mund nähme.

 

Kurt Meran von Meranien 16.09.2009

 

 

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Hitze (Aus Anne erzählt)

Kaum am Urlaubsort angekommen, ging Anne, obwohl die Luft vor Hitze flimmerte, spazieren. Im Stadtpark sollte es sehr schön sein. Sie hätte gern unterwegs irgendwo im Schatten gerastet. Aber nirgends standen Bänke. ‚Ein Eis wäre eine Wohltat,’ dachte sie.

Aber es war keine Eiskonditorei zu sehen. Ein komischer Kurort. Keine Bänke, keine Eisdiele, kein Lokal. Schließlich sah sie doch eine kleine Gaststätte. Sie stürzte hinein und bestellte eine Limonade. Es zischte als sie trank. Etwas erfrischt erreichte sie den Stadtpark. Hier suchte sie nach einem schattigen Platz zum Ausruhen. Sie sah eine Liegewiese. ‚Es müsste schön sein, jetzt auf der Wiese zu liegen.’ Ein paar Schritte entfernt, saß ein junger Mann im Schatten einer riesigen Ulme auf einer braunen Wolldecke. Er winkte ihr zu. Erfreut ging sie hin und fragte, ob sie auch auf die Decke dürfe. Als er nickte, setzte sie sich zu ihm. Der Mann, er hatte nur eine Turnhose an, fragte sie, ob es ihr auch so heiß wäre. Als Sie nickte, bot er ihr an, etwas abzulegen. Anne zog  sofort  Jacke und Schuhe aus. Lachend sagte sie: „Am liebsten würde ich mir alles ausziehen“. Der junge Mann sagte: „Das wäre toll. Leider kann ich mich nicht so ohne weiteres ausziehen. Nackte Frauen sieht man gern, nackte Männer aber nicht“. Lächelnd zog Anne sich ihren Rock und ihre Bluse aus. Nun hatte sie nur noch BH und Slip an. Der junge Mann fragte spöttisch: „Sie wollten sich doch eigentlich ganz ausziehen?“ Anne sagte: „Aber nur, wenn sie mich eincremen.“ „Alles?“, fragte der Mann erstaunt. „Alles“, bestätigte lachend Anne, und zog Slip und BH aus, Dann legte sie sich flach auf den Bauch. Er suchte in seinen Sachen herum und fand schließlich eine Tube Sonnencreme. Damit cremte er sie vorsichtig vom Nacken bis zu den Kniekehlen ein. Sich auf den Rücken drehend sagte Anne immer noch lachend zu ihm: „Den Rest bitte auch noch.“ Er sah sie ungläubig an. Anne grinste. Dann sagte sie: „Los, ich beiße sie schon nicht.“ Sehr behutsam und zögerlich, cremte der junge Mann ihre Brüste ein. Beim Oberbauch ging das schon schneller. Als er etwas tiefer kam, wusste er nicht weiter. Jetzt sagte Anne spöttisch zu ihm: „Immer schön auf der glatten Haut bleiben.“ Irritiert machte er vorsichtig weiter. Als er fertig war und sich erleichtert hinlegen wollte, fragte sie: „Und sie? Sind sie eingecremt?“ Erschreckt meinte er: „Ich soll mich doch nicht etwa auch ganz ausziehen?“ „Warum nicht“, fragte sie. „Es sieht doch niemand her.“ Er sah sich um, gab sich dann einen Ruck und zog sehr zögerlich seine Hose aus. Dabei achtete er darauf, dass er ihr den Rücken zukehrte. „Was sind Männer doch vor Feiglinge? Glauben sie, ich gucke Ihnen etwas ab? Oder tue Ihnen etwas? Ziehen sie sich wieder an sie Dummerjan.“ Schnell hatte er seine Hose wieder hochgezogen. Dann cremte sie ihm den Rücken ein. „Brust und Bauch machen sie mal selbst“. Sie wollte sich gerade wieder zurechtlegen, als er ihr erschreckt zuraunte: „Es kommen Leute.“ „Na und?“ „Sie haben doch nichts an!“ „Was die Leute haben nichts an?“ „Doch. Nein, sie sollen sich Anziehen!“ „Das hier ist doch eine Liegewiese und ich liege hier sehr gut“, sagte sie. Legte sich bäuchlings hin und antwortete ihm nicht mehr. Die Leute gingen achtlos vorbei und sahen gar nicht her. Als  sie weg waren, sagte er: „Das war knapp. Ganz ohne ist hier verboten.“ „Und wieso haben sie dann zugelassen, dass ich mich ganz auszog?“ „Ich wollte doch nur testen, ob sie darauf eingehen.“ „Tja“, sagte sie: „Erstens sind Frauen mutiger als Männer, und zweitens, wenn ich hier plötzlich mit meinen Sachen herumgefuchtelt hätte, wären die Leute aufmerksam geworden, hätten hergesehen und wer weiß was gedacht. Sie sehen doch, dass ich braungebrannt bin. Ich falle auf der Decke gar nicht weiter auf. Sie Weißling schon.“ Legte sich wieder bequem zurecht, und schlief langsam ein.

Als sie aufwachte war er weg. Neben ihr lag ein Zettel. ‚Sie sind mir zu mutig. Die Decke können sie behalten’. Anne stand auf, zog sich an, lies die Decke liegen, wo sie lag und ging enttäuscht zu ihrer Pension zurück. Dort fragte ihre Wirtin, ob sie sich im Stadtpark gesonnt hätte. „Ja, warum?“ „Sie sollen sich morgen nach dem Frühstück auf der Polizeistation melden!“

Anne betrat am nächsten Vormittag mit weichen Knien das Polizeigebäude. Als sie sich vorgestellt hatte, grinsten die Beamten. Eine ältere Polizistin bat sie in ein Büro. Die Tür des Büros aufhaltend sagte sie laut: „Herr Kommissar, hier ist die Dame  die Sie sprechen wollten.“ Anne erstarrte. Das war der Mann von gestern! Sie sank auf einen Stuhl. Nach der flüchtigen Begrüßung, leierte er zuerst mehrere Paragraphen herunter, die alle das unbekleidete Sonnenbaden zum Inhalt hatten. Dann sah er sie an und sagte langsam und betont: „Sie haben sich strafbar gemacht! Ich lasse Ihnen die Wahl, ob Sie eine Geldbuße zahlen, oder lieber ins Gefängnis wollen.“ Anne brachte vor Erstaunen und Wut keinen Ton heraus. Er sah sie eine Weile streng an, und weidete sich an ihrem verzerrten Gesicht. Dann sagte er ernst: „Ich entscheide für Sie. Sie bekommen einen Strafbefehl. Einspruch ist nicht möglich. Er ist sofort rechtsgültig! Sie haben die Pflicht soziale Arbeit zu leisten, “ und dann lächelnd: „in dem sie mit mir heute ausgehen!“

Kurt Meran von Meranien 15.07.2008

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Rudis Ärger
Rudi, Hildes Mann, hatte seit Jahren einen tollen Hobbyraum.  Der machte aber den Eindruck  einer chaotischen Abstellkammer.  Alles  was Hilde nicht mehr brauchte, oder nicht wegwerfen wollte, fand  seinen Platz dort. Rudi war begeistert von meinem Hobbykeller. Er wollte auch so einen schönen Bastelraum. Mein Hobbykeller hatte sich in ein Schmuckstück verwandelt,  nachdem Marianne nach ihrem Rausschmiss merkwürdigerweise ruhig war, und ihre Sachen heimlich entfernt hatte. Ich schlug Rudi vor, mit ihm seinen Raum aufzuräumen und neu einzurichten. Mir war es allerdings schleierhaft, was er in seinem Hobbyraum machen wollte, den er, wie es sich rausstellte vom Vormieter übernommen hatte. Rudi hatte drei linke Hände. Rudi begeisterte sich an meinem Vorschlag. Aber wie bewerkstelligen? Hilde war bestimmt dagegen. Ich hatte einen Plan. Es wurde ein Stadtbummel der Damen organisiert.  Die Nachbarin Frau Meier wollte Marianne und Hilde begleiten, und ihn auf meine Kosten mit einem ausgedehnten Cafebesuch verbinden. Ich besorgte einen Autoanhänger und alles was wir als überflüssig ansahen wurde entsorgt. Dann setzte ich Rudi kräftig unter Alkohol und fuhr nach Hause. Etwa zwei Stunden später kam Marianne in den Keller gestürzt.
So einen Krach wie den hatte ich noch nie erlebt. Marianne und ich hatten von Hilde langjähriges Hausverbot bekommen. Hilde wollte uns außerdem verklagen. Später kam Hilde wegen Nervenzusammenbruchs ins Krankenhaus. Marianne besuchte sie sofort. Hilde hob für Marianne das Hausverbot auf. Ich erfuhr, dass zwischen Hilde und Rudi Funkstille herrschte. Sie verkehrten miteinander nur mit Hilfe von Schiefertafeln. Umgehend besuchte ich Rudi. Er schob mir natürlich alle Schuld an Allem zu. Mein Argument, jetzt habe er doch endlich Ruhe vor dem endlosen Gemecker seiner Hilde, erkannte er nicht an.  Die Stille sei nicht nur bedrückend, sondern auch gefährlich. Außerdem dürfe er Schlafzimmer und Küche nicht mehr betreten.

Na da zieh doch in den Hobbyraum!

Als Hilde wieder nach Hause kam, suchte sie vergeblich ihren Mann. Er wohnte tatsächlich im Hobbykeller, und weigerte sich nachdrücklich die Wohnung zu betreten. Hilde berichtete alles umgehend Marianne und ich war natürlich wie immer der Schuldige. Ich musste Marianne nach Taucha fahren. Dort sprach sie unter vier Augen jeweils mit Hilde und Rudi. Hilde und Rudi vertrugen sich wieder, und der Hobbykeller war für Hilde tabu.
Marianne sprach auf der Heimfahrt kein Wort mit mir. Und auch später nicht. Es wunderte mich sehr, dass sie das durchhielt. Mich berührte es nicht weiter. Ich hatte schon lange auf Durchgang geschaltet. Ein alter Kumpel hatte mal gesagt, schalte ab, und du hast deine Ruhe. Ich hörte also Mariannes meck, meck, meck eigentlich gar nicht mehr. Allerdings war ich oft erstaunt, wenn Besuch kam, wir wegfuhren, oder andere Ereignisse eintraten.
Mein Name war  stets HASE - ich wusste von nichts.

Kurt Meran von Meranien 15.03.2007
*
Sommernachtsträume
Peter lag in seinem Garten auf der Terrasse auf der Rollliege. Immer wenn er nichts zu tun hatte, oder nicht arbeiten wollte, legte er sich hin. Es gab auch niemanden, der ihn antrieb. So wie früher, als er noch verheiratet war. Da hatte seine Frau dauernd gemosert: Mach dies – tu das.
Es war schön hier zu liegen. Um ihn herum brummte und summte es. Ein paar Meter weiter zwitscherten die verschiedensten Vögel. Es dauerte auch nicht lange, und er schlief langsam ein. Niemand störte ihn.
Als er aufwachte war es bereits dunkel. Auf dem Gartenweg leuchteten seine Solarlampen. An den beiden Pfählen die die Rank Netze hielten leuchteten ebenfalls Lichter. In den Rank netzen blinkerten bunte Schmetterlinge und Libellen aus Glas. Peter liebte dieses romantische Licht. So wie er alles Romantische liebte. Am schönsten war es, wenn er mit einer Frau in seinem Wohnzimmer dunkelroten, fast schwarzen, vollmundigen, samtigen Rotwein trank, bunte Kerzen leuchteten und sie Melodien von Ravel oder einem anderen großen Komponisten hörten.
Seufzend erinnerte er sich an schöne Stunden zu zweit. Unlustig stand er auf, ging in seine kleine Laube und machte sich für den Heimweg fertig. Er zog seine Turnhose aus, um seine Unterwäsche anzuziehen. Als er so nackt in der Laube stand, bekam er eine verrückte Idee. Warum eigentlich schon nach Hause gehen? Es war erst elf. Er könnte doch noch ein bisschen bleiben.
Er besah sich seinen Flaschenvorrat. Öffnete eine Flasche Tempranillo, griff sich ein Rotweinglas und ging wieder auf die Terrasse. Schenkte sich das Glas randvoll, tat eine Klassik-Kuschel-CD in den Player und legte sich wieder hin. Am Wein nippend stellte er sich vor, wie es wäre, wenn er jetzt Besuch von einer Frau, seiner Traumfrau bekäme. Was würde sie tun, wenn sie ihn hier nackt liegen sah? Würde sie sich ausziehen und zu ihm legen? Ein zusammengeklappter Liegestuhl lehnte an der Laubenwand. Würde sie sich über seine Nacktheit mokieren? Würde sie darauf bestehen, sich zusammen in der Laube auf die Polsterliege zu legen? Was würde wenn?
Nach einer ganzen Weile, während er so vor sich hin träumte, hatte er das Gefühl, dass er nicht mehr allein war. Tritte hatte er nicht gehört. Die Insekten und Vögel übertönten mit ihrer Abendmusik jeden anderen Laut.
Er richtete sich auf. Und da war sie! Seine Traumfrau! Groß, aber nicht zu groß. Salopper Pullover, weite lange Hosen. Ein länglich - rundes Gesicht. Braune rötlich schimmernde Haare. Links eine Art Scheitel bildend. An ihrer rechten Hand sah er zwei Ringe. Sie lächelte. Stützte sich auf seine Oberschenkel und gab ihm einen Kuss auf den linken Mundwinkel. Ehe er reagieren konnte stellte sie den Liegestuhl auf, nahm einen Schluck aus seinem Glas, und begann sich auszuziehen. Pullover, BH, Hose, Slip. Fuhr aus ihren Schuhen und den Söckchen. Nun stand sie vollkommen nackt vor ihm. Während sie sich entkleidet hatte, hatte er sie verstohlen gemustert. Sie hatte einen gut gewachsenen Körper. Die Brüste groß und fest, Hell schimmernd hoben sie sich von ihrer gebräunten Haut ab. Auf ihrem rechten Schulterblatt entdeckte er eine Blume. Eine Blumenranke ringelte sich bis zur Schulter hoch. Ihr Schamberg war dicht bewachsen. Die Haare schimmerten im Solar licht. Wieder beugte sie sich zu ihm. Fuhr mit ihren Fingerspitzen leicht über seinen Körper. Ihre Finger kreiselten um seine Brustwarzen. Seine Muskeln spannten sich. Ein unsagbar schönes Gefühl durchzog ihn. Ihre Finger spazierten weiter. Magengrube. Bauchansatz. Er hatte einen ganz schönen Bauch, obwohl er kein Biertrinker war. Die Finger glitten über seine Hüften, an den Schenkelaußenseiten bis zu den Knien. Während sie an den Innenseiten seiner Schenkel wieder nach oben fuhren, spielte ihre Zunge über seine Brust, seinen Bauch. Zunge und Finger würden sich bald begegnen. Und da merkte er es schon. Er spannte sich noch mehr. Seine Mannheit hatte sich schon lange aufgerichtet. Während ihre Zunge sich langsam vortastete, umschlossen ihre Lippen mehr und mehr seinen Schaft. Ihren linken Arm hatte sie um seinen Körper gelegt. Ihre rechte Hand massierte leicht seine Oberschenkelinnenseiten. Sie kniete neben ihn. Er rutschte, ihre Brüste umfassend, langsam vom Liegestuhl. Während er ihre Brüste hingebungsvoll massierte, nahm sie ihn immer mehr in sich auf. Er lag jetzt auf dem Teppichboden der Terrasse. Nun glitt sie, er hatte sich entspannt, seine Mannheit auslassend, langsam auf ihm nach oben. Als ihr Mund den seinen berührte, küssten sie sich ausgiebig. Sie war eine Künstlerin im Zungenkuss. Nach einer Weile, begann sie seine Mannheit zu massieren. Nur ganz kurze Zeit. Dann setzte sie sich auf ihm zurecht, und nahm ihn wieder in sich auf. Beide kamen schnell in den richtigen Takt. Zuerst hatte er nur kreisende Bewegungen gemacht, bis sie ungeduldig wurde.
Nun begann das zuckende Spiel der vereinten Körper. Mit rhythmischen Bewegungen, erst langsam, dann immer schneller. Beide stöhnten, schrien, kreischten. Die Vögel waren verstummt, die Insekten verschwunden. Nach beider Lustschrei lag sie eine Weile bewegungslos auf ihm. Dann drehte er sich mit ihr behutsam herum. Nun begann er sie zu reizen. Küssend, massierend. Und wieder begann das Spiel. Als sie endlich voneinander ließen, schimmerte in der Ferne am unteren Rand des Himmels schon ein grauer Lichtstreifen. Sie stemmte sich langsam auf. Küsste ihn kniend auf seine empfindlichen Stellen. Streichelte sein Gesicht. Und während er langsam wieder ins Reich der Träume sank, bemerkte er noch, wie sie sich anzog. Ihm einen letzten Kuss gab, und auf leisen Sohlen ging.
Als er aufwachte war er allein. Er lag völlig entspannt auf dem Boden der Terrasse. Gelassen sah er sich um. Neben ihm lagen zwei leere Flaschen. Auf dem Gartentisch stand ein fast leeres Glas. Der zweite Liegestuhl lehnte zusammengeklappt an der Laube.
Sein ganzer Körper war feucht. An manchen Stellen etwas mehr. Nach und nach erinnerte er sich an das Geschehen in der Nacht. War tatsächlich eine Frau, seine Traumfrau hier gewesen? Er erinnerte sich an ihr Aussehen.

Sie musste einfach dagewesen sein.  

Kurt Meran von Meranien 16.07.2009  
*
Stadtbummel
Am 2. Tag nach meinem Rentenbeginn fuhren wir in die Stadt. Stadtbummel hieß es. Und Einkaufen. Was, das wussten wir noch nicht. Wir, das waren Hilde, Marianne, Rudi und leider ich.
An meinem Rentenbeginntag waren wir tatsächlich abends noch in der Boutique gewesen. Marianne wollte sehen, was Frau Meier  für sie für passend hielt.
Ich musste mit. Wäre ich nur zu Hause geblieben!
Nachdem Marianne so ziemlich den ganzen Warenbestand durchprobiert hatte, kaufte sie schließlich einen Rock. Ich fand ihn passend,    allerdings nicht unbedingt für sie. Hätte ich nur nicht, sieht gut aus gesagt.
Zu Hause, vorm Spiegel ging das Theater los. Was hast Du nur für einen Geschmack?! Wie konntest Du mir reinen Gewissens so einen Mist aufdrängen. Hatte ich ja gar nicht.
Ich (!!!) habe keine passende Bluse! Außerdem macht mich der Rock dick! Männer (!!!), haben ja gar keine Ahnung, was ihren Frauen steht.
Nun erstens hatte sie den ganzen Schrank voller Blusen, Röcke und was weiß ich.
Und zweitens war sie wirklich dick. Ich liebe zwar das” MOLLIGE”, aber Marianne legte jedes Jahr zu. Hätte ich mir nur vor der Hochzeit meine Schwiegermutter näher angesehen, dann hätte ich gewusst, wie mein niedliches Mädchen später aussehen würde, und wäre kein unnötiges Risiko eingegangen.
Nun war es fast zu spät. Abends telefonierte Marianne noch mit Hilde. Sie klagte ihr Leid. Dann verabredeten sie sich zu diesem Stadtbummel. Rudi sollte als langjähriger kompetenter Berater, wenn Rudi nicht dabei war, hob sie ihn immer in den Himmel, mitkommen.
Wir sollten beide mit dem Auto in Taucha abholen, und in die Leipziger Innenstadt fahren. Ich wurde nicht gefragt. Meine Ablehnung, in der Stadt gibt’s nur Ärger bei den Bauarbeiten, wurde ignoriert.
Also fuhren wir am Mittwoch los, zuerst nach Taucha, dann in die City. Hilde fand es prima, so kutschiert zu werden. Marianne du hast es doch gut, brauchst keine Pakete schleppen.
Ich muss immer alles tragen, denn Rudi ist doch zu dämlich ein Paket in die Hand zu nehmen. Kannst mir deinen Mann immer mal zum Einkaufen fahren ausleihen.
Er hat ja jetzt nichts mehr zu tun. Gott schütz mich, die spinnt. Natürlich fand ich keinen Parkplatz, dort  wo die Frauen bummeln o. kaufen wollten. Ich setzte sie und Rudi ab, und fuhr das Auto weg. Als ich wiederkam, waren alle drei unauffindbar verschwunden. Gottseihdank! Ich suchte mir eine Bank und ruhte mich aus. Plötzlich schreckte mich ein mehrstimmiger Wutschrei auf!
Da sitzt der faule Strick und lässt sich suchen! Was hätten wir in der ZEIT sehen und kaufen können. Was braucht ihr denn mich, ihr habt doch Rudi.
Rudi schüttelte verzweifelt den Kopf. Hör bloß auf, nicht nocheinmahl. Die Zwei halten sich für schlank. Ich besah mir alle Beide. Was der Einen an einer Stelle fehlte, hatte die Andere zu viel, und umgekehrt. Außerdem hätte Hilde sich mal für eine richtige Schönheitsfarm anmelden müssen. Angeblich hatte sie schon mal eine Kur auf einer solchen Farm gemacht. Aber ich bezweifelte, dass es eine Schönheitsfarm gewesen ist, oder sie war gar nicht drangekommen.

Marianne übernahm das Kommando! Kurt, du holst jetzt den Wagen, wir fahren zum Bahnhof in die Passagen! Blödsinn, das Stück können wir doch laufen! Neeeeiiiin! Du tust was ich sage! Hilde nickte bestätigend. Richtig, Marianne ! Gib es  ihm! Immer wollen die Männer etwas anderes als wir! Und Kurt, du nimmst Rudi mit, der passt auf dich auf, und beeilt euch, wir warten hier!
Prima ! Die beiden hatten einen Knall! Ich hatte das Auto im Bahnhof auf dem Parkplatz abgestellt. Um die Diskussion zu beenden sausten wir los. Als wir außer Sicht waren, schlenderten wir gemütlich zum Bahnhof. Dabei schaute ich mir Schaufenster und auch die vielen hübschen Frauen an.
Rudi quengelte dauernd. Mensch beeil dich. Die Beiden werden verrückt, wenn wir ewig nicht wiederkommen. Quark nicht rum fertigte ich ihn ab, das Donnerwetter kommt bestimmt, so oder so.
Nach ca. 1 Stunde kamen wir wieder am Petersbogen an. Woo waren die Frauen? Nicht zu sehen. Ich schickte Rudi los! Such such!
Da ich im Parkverbot stand konnte ich nicht aussteigen. Die Hilfspolizei schien mich sowieso auf dem Kieker zu haben, denn sie fragte dauernd warum ich nicht wegfahren würde. Ich habe einen Fehler sagte ich, klappte die Motorhaube immer mal auf und suchte. Endlich kam Rudi mit Hilde und Marianne im Schlepptau. Ich jagte sie fix ins Auto, und fuhr weg als die Politesse sich gerade umdrehte.

Am Bahnhof fuhr ich vorbei mit der Bemerkung, hier dürfen nur Reisende parken.

Ich hielt erst am Nordplatz an. Unterwegs hatte ich gefragt, wo sie eigentlich gesteckt hätten. Rudi hatte sie in einem Cafe entdeckt. Nun, ihr habt ja lange genug gesessen, da könnt ihr jetzt zum Bahnhof laufen!
Die Frauen guckten mich entsetzt an. Das meinst du doch nicht im Ernst, oder? Doch doch! Und außerdem, ich fahre jetzt nach Hause, ich habe das Affentheater satt. Bummelt man alleine!
Fahrt dann  mit der Straßenbahn. Unsrer Straßenbahn ist die Beste der Welt. Tschüs !

Seitdem machen die Damen ihren Stadtbummel ohne mich!

Kurt Meran von Meranien 15.03.2007
*

Text
Marianne kam ganz aufgeregt nach Hause. Kurt, Kurt da müssen wir unbedingt hin! Wo müssen wir hin? In die Schreibwerkstatt. Was denn für eine Schreibwerkstatt? Blöde Frage, na da wo geschrieben wird! Und was sollen wir dort? Also Kurt du stellst wieder einmal doofe Fragen. Schreiben lernen. Wozu sollen wir schreiben lernen?  Nicht wir, du sollst Schreiben lernen! Ich verstehe kein Wort! Wozu soll ich schreiben lernen, ich kann doch Schreiben! Ich kann Schreiben und Lesen. Das habe ich in der Schule gelernt. Doch nicht so. Also Marianne, wenn du mir nicht sofort sagst was du willst, werde ich böse. Die Mayern hat gesagt, hach dauernd die Mayern! Kurt lass mich bitte ausreden! Also die Mayern hat gesagt, im Ortsblatt steht, im Pachtverein findet eine Versammlung statt, da kann man Schreiben lernen, und bekommt dafür Geld. Deshalb müssen wir dahin. Ich glaubs nicht! Ich bekomme noch einen Knall. Aber Kurt, den hast du doch schon. Deshalb brauchst du doch nicht schreiben lernen. Also noch einmal. Wir gehen in die Versammlung beim Pachtverein, damit du Schreiben lernst! Und wenn du dann Schreiben kannst, nämlich Bücher, bekommen wir dafür viel Geld. Marianne! Wieso erzählst du dann so einen Unsinn? Im Ortsblatt stand, es findet ein Literaturwettbewerb statt. Alle die Geschichten oder Gedichte schreiben können, sollen ihre Werke beim Bürgerverein einreichen. Bür-ger-verein! Nicht Pachtverein! Die Geschichten werden ausgewertet und zum Sommerfest wird die Auswertung bekannt gemacht. Die besten Geschichten werden prämiert. Toll, was für einen Preis hast du  bekommen? Marianne, hast du einen Preis gesehen? Wann denn? Na zum Sommerfest! Nein, da hätten wir hingehen müssen! Mensch Marianne, wir waren doch dort! Wo waren wir? Beim Sommerfest! Also ich war nicht dort! Du bist also wieder einmal ohne mich weggegangen! Wie üblich! Marianne mir reichts gleich! Wir waren beide zusammen zum Sommerfest Anfang Mai im Mariannenpark, weißt du denn das nicht mehr! Du hast doch noch über den Preis der Bratwurst geschimpft. Ja, na klar. Also das war das Sommerfest. Aber warum hast du keinen Preis bekommen? Weil ich nicht mitgemacht habe beim Literaturwettbewerb! Menschenskinder! Also musst du Schreiben lernen! Marianne, wenn wir dahin gehen, müssen wir doch bestimmt eine Geschichte, einen Text mitbringen! Na da schreib einen. Ich kann doch nicht! Na so schwer kann das doch nicht sein. Gut ich schreibe. Marianne ist blöd. Ist das genug Text? Aber Kurt! Du bist wieder sooo gemein. Ich bin doch nicht blöd.
Um endlich Ruhe zu haben, ging ich wirklich hin. Marianne musste zu Hause bleiben. Denn wer weiß, was sie dort angerichtet hätte. Es war ganz toll. Es war eine richtige Schriftstellerin da, und wie es sich herausstellte, hatten mehrere Anwesende selbst schon Bücher mit Geschichten und Gedichten veröffentlicht. Wer sich traute, konnte eigene Geschichten oder Gedichte vorlesen. Es gab Heiteres aber auch sehr Ernstes. Sofort nach dem Vorlesen, wurde über das Gehörte gesprochen. Jeder durfte seine Meinung äußern. Mit Kritik und Lob wurde nicht gespart. Die Zeit war viel zu kurz. Nicht alle Anwesenden konnten ihren Beitrag anbringen. Man war sich einig, bei der nächsten Veranstaltung, wieder dabei zu sein.

Kurt Meran von Meranien 15.03.2007
*
Wolke sieben
Ich wollte nach Kreischa fahren. Bis Wilsdruff auf der BAB. Über Kesselsdorf und Freital, dann durch das Poisenthal nach Possendorf. Das Poisenthal ist eine vorsichtig zu befahrende kurvenreiche Waldstrasse. An den Seiten wechseln sich alte Bäume mit Felsen und tief gelegenen Wiesen ab. 80 Km/h sind auf den Geraden und 30 in den Kurven erlaubt. Ich fahre in die unübersichtlichen engen Kurven aber meist nur mit Schritt. Es war schönes Wetter, und ich fuhr ein wenig schneller als sonst. Unterhaltung hatte ich, da ich in Freital zwei Anhalter, jüngere etwas heruntergekommene Männer aufgelesen hatte. Die wunderten sich, das mein Auto so lehr war. Ihre großen Stoffbeutel hatte ich in den leeren Kofferraum getan. Wo ich eigentlich hinwolle? Richtung Kreischa. Haben sie Geld? Nein. Und auch kein Gepäck? Nein. Und was wollen sie in Kreischa? Ich will gar nicht nach Kreischa. Sie sahen mich fragend an. Ich sagte, es geht euch zwar nichts an, aber ein Stück vor Possendorf steht am Wegrand eine dicke Eiche. An die will ich mein Auto setzen. Ich will mir nämlich das Leben nehmen. Deshalb brauche ich weder Geld noch Gepäck. Sie schwiegen. Dann sagte einer, halten sie bitte an, wir steigen lieber aus. Ich kam bald zu der Eiche. Als ich die Kurve, in der die Eiche stand, in hohem Tempo ansteuerte, polterte etwas unter mir. Ich kam ins Schleudern und überschlug mich. Beim Aufprall schoss ich wie eine Rakete aus dem Auto. Merkwürdigerweise nicht durch die Frontscheibe, sondern durch die rechte offene Tür. Als ich durch die Luft flog, wunderte ich mich noch, wieso die Tür auf war, und warum  die Airbags nicht funktioniert hatten. Den Gurt hatte ich abgemacht, als die Männer ausgestiegen waren. Ich landete auf einer matschigen Wiese vielleicht 20 Meter unterhalb der Straße. Mein linker Arm, mein Kopf und die ganze linke Seite taten weh. Mühsam krabbelte ich zur Straße zurück. Ich sah zwar die Eiche, konnte aber mein Auto nirgends entdecken. Da es entsetzlich nach Rauch stank, vermutete ich, dass es explodiert war. Also setzte ich mich auf einen Steinbrocken am Straßenrand und wartete auf ein vorüber fahrendes Auto. Ich musste wohl eingenickt gewesen sein, als ich aufwachend  eine liebliche Stimme hörte. Vor mir stand eine nackte junge Frau, und sagte komm Liebster ich ziehe dich aus und wasche dich. Ich sah mich um. Um uns herum waren hellblaue Wände. Mein linker Arm war verbunden, und lag in einer Schlinge. Meine Kleidung starrte vor Schlamm und Dreck. Schmerzen hatte ich keine. Ich überlegte, war ich schon auf Wolke sieben? Ich fragte die Frau, warum bist du nackt? Sie sagte, damit ich meine Sachen nicht schmutzig mache, wenn ich dich ausziehe. Das war einleuchtend. Nach dem Bad wollte sie mit mir ins Bett. Da ich Angst hatte zu versagen, fragte ich sie nach gewissen Gewürzen. Ein Aufguss aus klein gehackten Nüssen oder Mandeln, Kardamomkernen, gebrochenen Zimtstangen, einem Stück Vanilleschote und schwarzem Assamtee, mit Honig gesüßt, macht potent. Ich durfte das Gebräu kochen und trinken. Im Bett hatte ich plötzlich Schwierigkeiten. Ich konnte meinen linken Arm zuerst nur unter sehr starken Schmerzen bewegen. Aber Sex ist ja bekanntlich ein starkes Schmerzmittel. Und die Schmerzen verflogen durch unsere Aktivitäten bald. Am nächsten Tag fuhr mich die Maus nach Leipzig. Zu Hause fiel mir ein, dass ich überhaupt keine Papiere mehr hatte. Die lagen im Auto, und das war wohl verbrannt. Also ging ich zur Polizei. Bitte ihren PA. Habe ich nicht, der liegt in meinem Auto. Wo ist ihr Auto? Im Poisenthal. Was macht es da? Es hat sich um einen Baum gewickelt. Wieso sind sie nicht dort? Warum haben sie die Unfallstelle verlassen? So ging es eine ganze Weile. Schließlich wurde telefoniert. Dann hieß es, da liegt ein Wagen. Kommen sie mit, wir fahren hin. Als ich über den Gang geführt wurde, stutzte ich an einem Plakat. Ich sagte zu  den Polizisten, die zwei Männer da, die kenne ich, die habe ich gestern mitgenommen. Sagte der eine, Mensch, da haben sie aber Glück, das sie noch leben. Wieso, fragte ich? Das sind gesuchte Straßenräuber. Die sind sehr brutal. Ich sagte, die waren harmlos. Sie haben mich gefragt, ob ich Geld hätte, sind aber dann plötzlich ausgestiegen. Wir fuhren nun zu einem Unfalldurchgangsarzt. Der stellte fest, dass meine linke Elle gebrochen war, und ich außer einer Gehirnerschütterung, jede Menge Hautabschürfungen hatte. Im Poisenthal lag ein Wagen um die Eiche gewickelt. Aber nicht meiner. Wollen sie uns verarschen? Zürnten die Beamten! Mein Handy klingelte. Die Maus. Liebster, ich habe deine Brieftasche gefunden. Quatsch! Meine Brieftasche ist doch im Auto geblieben. Ja eben, dort habe ich sie auch gefunden! Einer der Beamten fragte, was ist nun wieder los? Ich sagte, meine Papiere sind wieder da. Geben sie mal das Handy her, sagte er fluchend. Er diskutierte mit der Maus. Dann fuhren wir wieder los. Nach Fremdiswalde. Diesen Ortsnamen hatte ich noch nie gehört. Als wir auf einen Bauernhof kamen, stand dort mein Auto etwas versteckt in einer Ecke. Verbeulter als sonst, aber mein Auto. Wir stiegen alle aus. Eine Tür wurde geöffnet und ein Berg von einer Frau erschien. So groß wie ich, aber dick und stämmig, wie eine tausendjährige Eiche. Das war nicht die Maus! Ich fragte, wer sind denn sie? Die Mutter, geh ins Haus Junge, du wirst erwartet. Einer der Beamten rief, halt hier geblieben. Was er sonst noch sagen wollte ging in einer Armbewegung der Eiche unter. Im Haus erwartete mich die Maus. Schon wieder nackt. Liebster komm schnell ins Bett. Ich habe dir auch schon den Tee gekocht. Trink und komm! In einer Pause, fragte ich, sag mal wie kommt mein Auto hier her? Sie sah mich verblüfft an. Aber Liebster, damit sind wir doch hierher gefahren. Woher? Ja, aber das weist du doch. Ich hatte zwischen Possendorf und Freital eine Panne und du hast angehalten und mich mitgenommen. Wo bin ich denn hergekommen? Du bist in Richtung Freital gefahren und hast über die dicken Eichen geschimpft.

Es ist mir bis heute völlig schleierhaft, was sich zwischen meinem Unfall, und dem Erwachen im Haus der Maus ereignet hat. Die Polizei glaubte mir kein Wort, obwohl man später an einem Baum Lackspuren von meinem Wagen, in und an meinem Flitzer Blätter, Rindenstücke und Zweige, und auf der Wiese meine linke Sandale fand. Schuhgröße 46/47 hat nicht jeder.

Kurt Meran von Meranien 10.05.2007

 

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Beiträge : Georg Hans Schlitte / Kurt Meran von Meranien

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